Ratinginstrument für zweidimensionale bildnerische Arbeiten (RizbA)
Vorläufige Version zum Download
für und wider
Wenn ich meine Forschungsarbeit vorstelle, bekomme ich gemischtes Feedback. Zum einen erfahre ich viel Interesse von Seiten anderer Wissenschaftler*innen und praktisch tätiger Kunsttherapeut*innen, die eine Weiterentwicklung des Fachs sehr begrüßen und den Fragebogen gerne einsetzen möchten.
Auf der einen Seite ist Kunsttherapie ein Fach, in dem traditionell qualitative Paradigmen vorherrschen und das quantitativen Methoden teils kritisch gegenüber steht. Ich habe jedoch die Erfahrung gemacht, dass Vorbehalte meiner Arbeit gegenüber häufig auf dem Missverständnis beruhen, RizbA würde Kunst bewerten und der Kunst ihre Wirkung oder ihren Zauber nehmen.
Zugegebenermaßen: Der Fragebogen entzaubert insofern, als dass er eine objektive Beschreibung von Bildern ermöglicht. Das beraubt der Kunst aber nicht ihrer Wirkung, sondern versucht, sie beschreibbarer zu machen. RizbA ist die strukturierte, quantifizierbare Form einer in Kunstwissenschaften und Kunsttherapie gängigen Praxis, der formalen Bildanalyse.
wozu das ganze?
Eine grundlegende Annahme der Kunsttherapie ist es, dass das Gestaltete etwas mit der*dem Gestaltenden zu tun hat. Dies betrifft sowohl differentialpsychologische und klinische als auch andere Konstrukte. Empirisch quantitativ wurde diese Hypothese jedoch bislang kaum untersucht, da es an entsprechenden Instrumenten mangelt. Das Ratinginstrument für zweidimensionale Arbeiten (RizbA) leistet hier einen entscheidenden Beitrag. Als reliables Messinstrument eröffnet es neue Möglichkeiten in der kunsttherapeutischen sowie psychologischen Grundlagenforschung.
über RizbA
Der Fragebogen misst Bildlichen Ausdruck und umfasst Inhalte einer klassischen formalen Bildanalyse, wie Darstellung, Farbe, Form, Raum, Bewegung, Komposition und Ausdruck, die sich zum Gesamtkonstrukt zusammensetzen. Die Testentwicklung erfolgte empirisch gestützt und basiert auf kunsttherapeutischen und kunstwissenschaftlichen Theorien sowie bestehenden Instrumenten zur Bildanalyse. Zur empirischen Erprobung wurden und werden aktuell Studien durchgeführt.
studien und gütekriterien
Die vorläufige Endversion besteht aus 26 Items. Sie verfügt über eine Diskriminanzfähigkeit zwischen bildnerischen Arbeiten von 897 (T1) bis .766 (T2). Die Inter-Rater-Reliabilität liegt zwischen .525 (T1) und .917 (T2). Die Test-Retest-Reliabilität beträgt .919. Die durchgeführten Hauptkomponentenanalysen lassen eine Faktoren-Lösung vermuten, die über die Studien hinweg weitestgehend stabil bleibt. Eine Studie im Test-Retest-Design mit einer repräsentativen Stichprobe ist aktuell abgeschlossen und wird in Kürze publiziert werden. Eine weitere repräsentative Studie anhand von Gegenwartskunst wird aktuell im Rahmen des Fellow-Programms Freies Wissen durchgeführt
RizbA zum download
Die vorläufige Version des Ratinginstruments für zweidimensionale bildnerische Arbeiten (RizbA) steht im Sinne von Open Science für Forschung und Dokumentation frei zur Verfügung. Die Paper-pencil-Version kann auf Zenodo heruntergeladen werden. Ich freue mich über Ergänzungen, Anmerkungen und Verbesserungsvorschläge.
Eine Beschreibung der Faktorenstruktur, Hinweise zur Auswertung und andere Materialien folgen. Wer auf dem Laufenden bleiben möchte, kann sich gerne für meinen Newsletter anmelden.
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Update: Mittlerweile ist eine aktualisierte Paper-Pencil-Version des Fragebogens verfügbar.
Schoch, K. (2019, 5. November). Ratinginstrument für zweidimensionale bildnerische Arbeiten (RizbA): Fragebogen in deutscher Sprache. Zenodo. http://doi.org/10.5281/zenodo.3529361
Danke Kerstin, ich finde diesen quantitativen Ansatz auch sehr wichtig und prüfe, ob ich den Fragebogen für die Auswertung der Bilder meiner Hypertonie-Studie nächstes Jahr in irgendeiner Weise nutzen kann. Dann teilie ich gerne meine Erfahrungen mit.
Corinne Roy
Liebe Corinne, ich habe dein Poster bei der diesjährigen Forschungstagung der WFKT noch gut in Erinnerung. Ich bin gespannt auf deine Studie und freue mich auf dein Feedback!
Guten Abend. Mein Name ist Sonja Theißen. Ich komme aus Wesel, bin 37 Jahre alt und mehrfach schwer chronisch krank, leide an einer PTBS, bin blind und habe eine körperliche Behinderung durch eine steifgelegte Skoliose. Ich bemängle, dass die Therapieformen, egal, ob nun Kunsttherapie, Musiktherapie, Gestaltungstherapie, Gestalttherapie oder Traumatherapie / Gesprächstherapie nicht auf die Bedürfnisse blinder und sehbehinderter Menschen und Menschen mit seltenen Erkrankungen abgestimmt sind. Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie es ist, von Ärzten und Therapeuten heimgeschickt zu werden, mit der Begründung, man könnte mir nicht helfen. Ich selbst male trotz meiner Blindheit gerne. Ich wähle den stift, der sich für mich richtig anfühlt. Was auf dem Papier dabei herauskommt, ist für sehende oft unnachvollziehbar. In kleineren Städten, wie Wesel, gibt es oft keine passenden Therapieangebote für fälle wie mich. Und was ich skandalös finde, ist, dass die gesetzlichen Krankenkassen, obwohl der wissenschaftliche Nutzen für Kunst- und Musiktherapien erwiesen ist, diese nicht übernehmen. Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen. mit freundlichem Gruß: Sonja Theißen.
Liebe Sonja, schade, dass du ungute Erfahrungen gemacht hast. In den Künstlerischen Therapien, aber auch in Gesprächstherapien, sollte es eigentlich kein Problem sein, auf eine eingeschränkte oder nicht vorhandene Sehfähigkeit einzugehen, da gerade hier sehr individuell und kreativ auf Bedürfnisse eingegangen werden kann. Ich würde an deiner Stelle die vorhandenen Therapeut*innen vorab anfragen und gemeinsam eruieren was möglich ist, auch wenn sie kein explizites Angebot hierzu anbieten.
Therapeut*innen, die nach Richtlinien des jeweiligen Fachverbands ausgebildet sind, findest du unter:
Deutscher Fachverband für Kunst- und Gestaltungstherapie (DFKGT)
Deutsche Musiktherapeutische Gesellschaft (DMtG)
Deutsche Gesellschaft für Theatertherapie (DGFT)
Berufsverband der Tanztherapeut*innen Deutschlands (BTD)
Was die wissenschaftliche Anerkennung von Kunsttherapie betrifft, ist diese leider bislang nicht gegeben, da es an Studien mangelt. Aus diesem Grund übernehmen die Krankenkassen in der Regel auch keine Kosten. Unter anderem deshalb forsche ich in diesem Bereich.
Viele Grüße
Kerstin